Der Ostsee geht es schlecht! Blogbeitrag zum Nationalpark Ostsee

Bild: Dürbrook

Wer in Schleswig wohnt, kennt das Gefühl. Es ist Sommer, die Sonne scheint und eigentlich würde man gerne in die Schlei springen. Oder auch nicht so gerne, denn wie jedes Jahr gibt es wieder ein Badeverbot – zu viele Blaualgen. Dabei zeigen diese Algen, wie schlecht es um die Ostsee steht und damit auch um die Schlei. Tatsächlich gilt die Ostsee als eines der am meisten verschmutzten Meere weltweit. Es gibt in der Ostsee sogenannte Todeszonen, in denen es wenig bis gar keinen Sauerstoff gibt und dementsprechend auch kaum Leben. Gleichzeitig verstärken Algen genau diese Todeszonen, denn nachdem sie absterben und auf den Meeresboden sinken, werden sie von Bakterien zersetzt, die dann nicht nur Sauerstoff benötigen, sondern auch dem Meeresboden schaden. Industrieabfälle, Abwasser und Düngemittel verschmutzen so nicht nur die Ostsee direkt, sondern haben auch weitreichende Folgen. Hinzu kommt, dass es im Brackwasser der Ostsee wenig Wasseraustausch gibt. Schadstoffe bleiben also bis zu 30 Jahre dort und die Sauerstoffzufuhr ist ebenso gering. Eigentlich bietet aber genau dieses Brackwasser Raum für einzigartige Lebensräume, die nur in der Ostsee zu finden sind. Beispielsweise für Schweinswale, die manchmal in der Flensburger Bucht gesehen werden können. Auch einzigartige Küstenlinien wie die Eckernförder Steilküste oder die Geltinger Birk zeigen, wie schützenswert die Ostsee ist. Doch Munitions-Altlasten, Sand- und Kiesabbau, massive Überfischung und Schiffsverkehr sorgen dafür, dass die Lebensräume geschädigt werden. Begünstigt wird all dieses auch durch den Klimawandel, da wärmeres Wasser weniger Sauerstoff bindet.

 

Nationalpark Ostsee, worum geht’s denn überhaupt?

Um den Naturschutz in der Ostsee zu verbessern, plant der schleswig-holsteinische Umweltminister Tobias Goldschmidt nun, in der Ostsee in Schleswig-Holstein einen Nationalpark einzurichten. Dazu gab es im März eine Auftaktveranstaltung und ab Mai sollen in Workshops verschiedene Interessengruppen vermeintlich die  Chance haben, ihre Bedenken einbringen zu können. Dabei sind viele Teile der Schleswig-Holsteinischen Ostsee Potentialflächen, die Ausnahmen bilden Lübeck und Umgebung, sowie die Häfen in Kiel und Flensburg inklusive Zufahrt und die Schlei (siehe Grafik). Teil der Potenzialflächen sind z. B. der Sehlendorfer Binnensee oder die südliche Eckernförder Bucht. Dabei sollen 51% Null-Nutzungszonen entstehen, in denen keine Fischerei stattfinden und nichts eingeführt, aber auch nichts der Ostsee entnommen werden darf.

Ganze Präsentation: https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/V/_startseite/Artikel2023/230321_Konsultation_NPO_mat/PraesentationKulisse.pdf?__blob=publicationFile&v=2

 

Wassersport statt Kreuzfahrt

Wer surft, kann es auf der Karte leicht erkennen. Fast alle Surfspots in Schleswig-Holstein sind Potenzialflächen. Ob auf Fehmarn oder beim Leuchtturm in Bülk – kommt der Nationalpark Ostsee könnte es schwer werden. Wassersport-Spots an der Ostsee in Schleswig-Holstein sind einige der beliebtesten Deutschland und viele Wassersportler*innen ziehen sie vor allem an ihren freien Tagen zu uns, sodass sie Teil des Ostsee-Tourismus sind.  Dabei können Wassersportler*innen nicht mal eben woanders surfen, denn einzelne Spots können nur bei bestimmten Wind-, Strömungs- und Wellenverhältnissen genutzt werden. Und wohin auch ausweichen, wenn fast alle Spots Naturschutzgebiete werden.  Dabei benötigen Kiter, Windsurfer, Wellenreiter, SUP-Sportler und Foiler weder viel Platz noch verpesten sie die Umwelt bei weitem nicht so, wie es die Schifffahrt tut. Die Schifffahrt, die bei den bisherigen Plänen deutlich weniger eingeschränkt wird. Sowohl die Stena Line als auch die Color Line können den Kieler Hafen ohne Einschränkungen einfahren und verlassen. Auch Kreuzfahrtschiffe wie die AIDA können immer noch nach Kiel kommen. Dabei tragen insbesondere diese Formen der Schifffahrt zu massiven Umweltverpestungen bei. Kreuzfahrtschiffe verbrennen auf dem Meer Schweröl zu unter anderem Schwefeldioxid. Dies führt dazu, dass, wer eine Woche auf einem Kreuzfahrtschiff verbringt, so viele CO2-Emissionen verursacht, wie wenn er 9.000 km mit dem PKW fahren würde. Dennoch kann Kiten nicht überall erlaubt sein, denn kiten hat eine massive Scheuchwirkung auf Vögel.

 

Renaturierung statt  Nullnutzungszonen

Ca. 1,6 Millionen Tonnen konventioneller Munition und 5.000 Tonnen chemischer Kampfstoffe liegen in der deutschen Nord- und Ostsee. Diese Munitionsaltlasten sind tickende Zeitbomben, denn viele von ihnen sind Blindgänger, die über dem See abgeworfen wurden. Aber auch die Munitionsreste, die im Meer verklappt wurden, werden zur Gefahr, sie korrodieren im Salzwasser und entlassen so ihre giftigen Inhaltsstoffe in die Umwelt. Munitionsaltlasten müssen also aus dem Meer geborgen werden. Kommt es, wie für einen Nationalpark notwendig wäre, zu Nullnutzungszonen, wäre dies deutlich schwieriger, als es bisher bereits ist, und an einigen Stellen unmöglich. Hinzu kommt, dass es an einigen Stellen in der Ostsee bereits so große Schädigungen des Meeresbodens und Verschmutzung des Gewässers gibt, dass nur Nutzungszonen, wie sie für den Nationalpark vorgesehen sind, dieses nicht verbessern können. Denn dort wird die Natur zwar sich selbst überlassen,überlassen und es darf ihr nicht zugeführt oder entnommen werden, doch nicht immer schafft es die Natur sich selber wiederherzustellen. Stattdessen braucht es vielerorts Renaturierungsprogramme, die gezielt Meeresböden, Fischbestände und Wasserqualität wiederherstellen.

 

Überfischung verhindern statt Angeln beschränken

Überfischung ist schon seit vielen Jahren ein Riesenproblem in der Ostsee. Der Anteil an überfischten Beständen liegt dabei mit 40–50 % besonders hoch. Vor allem der Bestand an Heringen und Dorschen ist besorgniserregend gering und auch der Lachs wird in der Ostsee immer mehr übersehen. Dabei tragen zusätzlich zur Überfischung der Klimawandel und die Schadstoffe in der Ostsee dazu bei, dass Fischbestände zunehmend kleiner werden. So kommt z. B. insbesondere durch den Anbau von Mais in Ostseenähe Abwasser über Flüsse in die Ostsee. Dadurch wird das Wachstum von Algenblüten begünstigt, die in tieferen Gewässern absterben. Dabei geht viel Sauerstoff verloren, wodurch Fische ersticken können und ihr Nachwuchs immer geringer wird. Aber auch die industrielle Fischerei, die überwiegend mit Grundschleppnetzen fischt, die den Meeresboden zerstören und viel Beifang einsammeln, schädigt die Fischbestände. 60 Prozent des Ostseefischfanges kommen aus solchen Schleppnetzen. Kleine Fischer haben es zunehmend schwer mitzuhalten. Der Nationalpark Ostsee würde im Nationalpark derartige Fischerei verbieten, aber auch kleine Fischer, die es gerade in der Schleswig-Holsteinischen Ostsee noch gibt, massiv einschränken, anstatt dass große Fischereibetriebe vor allem auch in Gebieten, in den es den Nationalpark Ostsee nicht geben wird, eingeschränkt werden und kleine Fischereien zum Gleichgewicht in der Ostsee beitragen könnten. Die Schleswig-Holsteinische Landesregierung muss sich dazu auch mehr dafür einsetzen, dass Fischfangquoten an der gesamten Ostsee eingehalten werden, und die Fischbestände schützen. Zusätzlich wurde auch das Hobby Angeln in Schleswig-Holstein an vielen Stellen in der Ostsee verboten. Dabei trägt Angeln in Deutschland kaum zu Umweltschäden bei, da nur in sehr geringem Maße geangelt wird und Angler*innen häufig sehr verantwortungsbewusst mit der Natur umgehen. Gerade in der Ostsee fangen Angler*innen Meerforellen und Plattfische und genießen ihre freien Tage am Meer, auch zu den Zeiten, in denen Tourist*innen selten den Weg nach Schleswig-Holstein finden.

 

Nachhaltigen Tourismus stärken statt Strände schließen

Bei den bisher vorgestellten Plänen zum Nationalpark Ostsee sollen insbesondere auch die Küsten geschützt werden. Dazu gehören auch einige Strände, die Menschen mit geringem Einkommen und vor allem auch jungen Menschen als Erholungsorte dienen. Wobei viele Strände auch bisher zu Recht Schutzgebiete sind und die Anzahl an Badestränden übersichtlich ist. Natürlich trägt menschliche Nutzung an Stränden dazu bei, dass dort lebende Tiere und Pflanzenarten gestört werden, doch der noch immer erlaubte Sandabbau schädigt die Küste bei weitem mehr. Zusätzlich gibt es in Schleswig-Holstein kaum einheitliche Regelungen zur Strandnutzung und vielerorts keine guten Konzepte, um Müll zu entsorgen und Lärm zu verhindern. Gerade Partytourismus an der Ostsee muss dabei mit einbezogen werden. Dies könnte dazu beitragen, dass Strand-Nutzer*innen deutlich weniger stören. Die Planung zum Nationalpark sieht hingegen vor, dass südlich von Fehmarn kaum Küstenlinien Teil des Nationalparkes sein sollen. Dort wo viele Tourist*innen am Strand Urlaub machen und in teuren Ferienwohnungen und Cafés ihr Geld in Schleswig-Holstein lassen. Statt für Tourist*innen Strandabschnitte zu lassen und in der Umgebung von Flensburg, Kiel und Eckernförde Strandabschnitte einzuschränken, bräuchte es in Schleswig Holstein mehr Konzepte zu echtem nachhaltigen Tourismus und zur ökologischen Strandnutzung. Ein Ostseehaus an der Geltinger Birk oder den Timmendorfer Strand zum Naturstrand zu machen, könnte dazu beitragen.

 

Philippa Petersen