Einzelhändler in Schleswig-Holstein beziffern die Einnahmeausfälle auf 20 bis 30 Prozent. Selbst Städte wie Kiel oder Lübeck, die mit kluger und ambitionierter Stadtentwicklung scheinbar die Trendwende geschafft haben, sehen sich wieder mit zunehmenden Leerstand konfrontiert. Die größte Gefahr ist dabei ein Domino-Effekt. Wenn immer mehr Publikumsmagneten aufgeben müssen, sinkt die Gesamtzahl der Besucher.
Ich habe selbst lange mit diversen Programmen Konzepte für Einzelhandel, Soziale Stadt mitentwickelt. Jede Stadt, die etwas auf sich hält, hat mittlerweile ein integriertes Stadtentwicklungskonzept. Wichtig ist die schonungslose Ist-Analyse. Aber vor allem bieten diese Integrierten Stadtentwicklungskonzepte gute und sinnvolle Handlungsempfehlungen, die einem Leitziel folgen. Immer mit Beteiligung der Bevölkerung.
Ziel ist es Entwicklungen voranzutreiben, Attraktivität zu steigern und vor allem den Leerstand zu reduzieren. Mal besser mal schlechter funktionieren diese Konzepte, denn oftmals können Kommunen gar nicht alle Steine aus dem Weg räumen, um ihre Planungen zu realisieren. Und nun schlägt Corona mit voller Wucht auf diese Pläne. Was wir jetzt gemeinsam brauchen sind schnelle und unbürokratische Hilfen.
Gerade das wurde ausdrücklich gelobt von Seiten der Wirtschaft, die schnelle Soforthilfe des Bundes, das hat Sicherheit geben und auch unsere Hilfen im Land sind dankbar aufgenommen worden. Das schafft Sicherheit und vor allem sichert es Arbeitsplätze.
Innenstädte zu Zentren des gesellschaftlichen Lebens entwickeln
Und genau darum geht es in unserem Antrag im Landtag: Um Sicherheit! Deswegen meinen wir von der SPD:
- Die Zukunft der Innenstädte und Ortszentren wird nicht allein durch den Einzelhandel bestimmt, sondern durch eine attraktive Mischung von Angeboten und Nutzungen. Es braucht eine kluge Verbindung von Wohnen, Kultur, Gastronomie und Handwerk, Dienstleistungen und sozialen Angeboten, Mobilität und Verkehr, Stadtgestaltung und Baukultur, Erholungs- und Grünflächen. Eine Stärkung der Funktionsvielfalt des Zukunftsraumes Ortszentrum kann dabei nur über breite Beteiligung, Mitwirkung und Öffentlichkeitsarbeit erreicht werden.
- Die Investitionen in die Innenstädte und Ortszentren müssen gestärkt werden. Kluge Konzepte und mit ihnen verbundene Investitionen können dafür sorgen, dass wieder zunehmend auch private Investitionen ausgelöst werden. Hierfür gibt es bereits zahlreiche Erfolgsbeispiele wie den Kleinen-Kiel-Kanal, den Großflecken in Neumünster oder die Stadtentwicklung in Eutin. Um das zu erleichtern, müssen die bestehenden Möglichkeiten der Städtebauförderung ausgeschöpft und gegebenenfalls erweitert werden. Das Gesetz über die Einrichtung von Partnerschaften zur Attraktivierung von City-, Dienstleistung- und Tourismusbereichen aus dem Jahr 2006 muss zudem aktualisiert werden
- Die Aufenthaltsqualität in den Innenstädten und Ortszentren kann durch mehr sogenannte „Dritte Orte“ gesteigert werden. Neben dem Zuhause (Erster Ort) und dem Arbeitsplatz (Zweiter Ort) sind dies Lebensräume, an denen sich Menschen vorübergehend zu Hause fühlen und sich vor allem in ihrer Freizeit gerne und häufig aufhalten. Das können und müssen der Handel und die Gastronomie nicht alleine leisten. So können auch öffentliche Orte wie z.B. Bibliotheken und Kunst- oder Sozial-Cafés mit günstigen Preisen und hoher Aufenthaltsqualität einen Beitrag leisten und für viele Besucherinnen und Besucher auch von außerhalb als Magnet wirken.
- Die Städte und Gemeinden dürfen mit der Aufgabe, ihre Zentren zu beleben, nicht alleine gelassen werden. Die Landesregierung muss deshalb eine Beratungsstruktur für die Innenstadt- und Ortskernentwicklung schaffen, die bei der städtebaulichen Neuausrichtung berät und unterstützt. Diese soll auch die für den Erfolg jeder Maßnahme unerlässliche Beteiligung der Bürgerinnen und Bürgern begleiten und unterstützen. Die bereits vorhandenen Stadtmarketing-Initiativen müssen zudem gestärkt und weiter vernetzt werden.
- Online und Offline schließen sich in modernen Stadt- und Ortszentren nicht aus. Denn auch viele kleinere, lokale Einzelhändler verfügen gemeinsam über eine erhebliche Marktmacht. Die hohe Qualität und Kompetenz vor Ort muss stärker gebündelt und mit einer höheren Online-Kompetenz verbunden werden. Das Land muss deshalb – nicht zuletzt aus der Erfahrung der Corona-Krise – Initiativen für kooperative Online-Portale lokaler Unternehmen unterstützen, auf denen diese sich gemeinsam präsentieren und ihre Waren und Dienstleistungen online auch zur Lieferung und Abholung anbieten können. So können viele kleine Unternehmen gemeinsam ihre Reichweite erheblich steigern und am Markt als lokale Anbieter teilhaben. Darüber hinaus ist auf allen politischen Ebenen zu prüfen, wie die Benachteiligungen des lokalen Einzelhandels gegenüber dem Online-Handel bei der Besteuerung und in den Tarifstrukturen aufgehoben werden können.
- Hohe Mieten, Leerstände und Spekulationsobjekte machen Innenstädte und Ortszentren für neue Ansiedlungen unattraktiv. Um dieser Entwicklung zu begegnen, brauchen der Einzelhandel und Gastronomie Unterstützung bei den Verhandlungen mit Vermietern. Das Ziel ist, eine Mietpartnerschaft zwischen Gewerbetreibenden, Mietern und Vermietern für die Innenstädte und Ortszentren zu erreichen. Dabei hilft die Einführung von Mietspiegeln auch für den Einzelhandel. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, leerstehende Objekte nach einem Jahr für öffentliche Zwecke wie Ausstellungen oder Versammlungsräume zu nutzen.
- Um diese vielfältigen Aufgaben bewältigen zu können, bedarf es auch einer angemessenen finanziellen Ausstattung der Kommunen. Die Aufgabe der Reaktivierung, Neugestaltung und Stärkung der Innenstädte und Ortszentren muss daher auch in den Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen Niederschlag finden und sich auch im Kommunalen Finanzausgleich wiederspiegeln.
Jetzt ist genau die Zeit sich zu verbünden und im Land einen Pakt für die Innenstädte und Ortszentren zu schaffen! Lassen Sie uns neue Orte schaffen. Denn Orte schaffen Identität und ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Lassen Sie uns gemeinsam dieser Krise etwas positives abringen. Denn gerade das hat diese Pandemie auch gezeigt: Wie stark der Zusammenhalt ist in unserem Land.
Download
- Drucksache 19/2344